Blick auf “Futuro”


Reportage aus dem Studium Kulturpublizistik,  Oktober 2023 – Januar 2024


In Elm hockt ein Streit. Das Skigebiet oberhalb des Glarner Dorfs will eine grössere Beschneiungsanlage bauen, um den Tourismus der nächsten Jahre zu sichern. Doch die Naturschutzverbände verhindern dies bis heute. Porträt eines Tals in der Sackgasse.



Es ist Oktober und dreiundzwanzig Grad. Ich stehe am Busbahnhof Schwanden, ein kleiner Bahnhof, gerade im Umbau. Heute bin ich mit Stefan Elmer zum Gespräch verabredet, dem Direktor der Sportbahnen Elm. Meine Anreise hat mich entlang dem Zürichsee geführt, wo die Zuggleise das Ufer verlassen, um kurz vor dem Walensee ins Sernftal abzubiegen. Hier in Schwanden mündet der Sernf in die Linth. Stehend, auf den Bus wartend schaue einem Traktor mit Heuanhänger zu, wie dieser auf der angrenzenden Hauptstrasse vorbeirauscht. Die goldenen Ballen geben im Fahrtwind kleine Stücke Heu ab, die wie Flocken in der aufgewirbelten Umgebungsluft blinken. Ich denke an Neuschnee. Der Bus kommt, und steige ein, um in ihm an die zweite Endstation dieses Tages zu fahren.

«Willkommen in der Tektonikarena Sardona: UNESCO Welterbe» grüsst ein Schild und Berg und Tal schmiegen sich immer enger aneinander, die Häuser unter der Hauptstrasse immer tiefer versteckt. In Engi komme ich an der WESETA Weberei Sernftal, der Glarner Feingebäck AG, einem Schild «Brennholz und Spähne» und einer Schweisserei vorbei. Die Häuser streuen sich im Tal. Erst in Matt reihen sie sich wieder an die Hauptstrasse. Als hier der Bus vorbeifährt, heben die Leute die Köpfe. Zehn Minuten später stehe ich im prallen Sonnenlicht vor den «Bergbahnen Elm», einem unscheinbaren, länglichen Gebäude mit tief hängendem Dach aus braunen Glattziegeln. Wir – das Gebäude und ich – befinden uns in einem Kessel; sein Rand eine Kette aus Gross Kärpf, Hausstock, Glarner Vorab, Segnes und Surenstock. An seinen Wänden färbt der Herbst zögerlich die Zitterpappeln gelb, und im schattigen Nordhang ruht eine dünne Schicht Schnee im Schiefer. Am Gebäude der Talstation steht: «Grosse Auswahl an Wanderschuhen» und «Kaffee: Hier erhältlich».

Stefan Elmer ist Gesicht des hintersten Unternehmens im Sernftal, weiter hinten kommt nur noch der Militärschiessplatz Wichlen. In seinen Gesten schwingt ein ruhiger Stolz auf das Tal. Er holt aus: Das Problem mit dem Schnee stehe seit einer Weile fest – es hat zu wenig davon. Denn zum Beschneien braucht es kalte und trockene Luft. Dafür misst man die sogenannte Feuchtkugeltemperatur, die ausgehend von der Temperatur der Umgebungsluft umso höher ausfällt, je feuchter diese ist. Laut dem Sportbahnbetreiber Elmer sei das Beschneien erst ab einer Feuchtkugeltemperatur unter -3 °Celsius wirtschaftlich. Und die aktuelle Anlage in Elm reiche nicht mehr aus, um in den wenigen kalt-trockenen Tagen zu Beginn der Saison das ganze Gebiet zu beschneien.
Ich hake nach: Warum ist es so wichtig, alle Pisten so früh zu beschneien? 

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